Was ist Spermidin eigentlich genau?

Wer den Begriff Spermidin zum ersten Mal hört, denkt dabei oft an: Sperma. Die Assoziation ist auch richtig, kann dich aber auf eine falsche Fährte locken. Das Molekül Spermidin ist für Männer und Frauen gleichermaßen geeignet und ist gegenwärtig eine der interessantesten Substanzen im Bereich Anti-Aging. Aber fangen wir beim Ausdruck Spermidin an: Im 19. Jahrhundert gelang es dem deutschen Forscher Philipp Schreiner, eine stickstoffhaltige Base mit dem Namen Spermin aus Samenflüssigkeit zu isolieren und zu beschreiben. Als Spermidin wird in diesem Zusammenhang ein bestimmtes biogenes Polyamin bezeichnet: Spermidin ist ein Zwischenprodukt der Spermin-Bildung. Das Vorkommen von Spermidin ist aber keineswegs nur auf die Samenflüssigkeit beschränkt. Das Molekül kommt als Botenstoff in allen Organismen und Körperzellen vor. Seine Aufgabe besteht insbesondere darin, auf das Zellwachstum und die Zellerneuerung einzuwirken. Spermidin ist also in jedem Organismus, unabhängig ob männlich oder weiblich, vorhanden und erfüllt dort wichtige Aufgaben. Wenn du dich fragst, ob die Einnahme von Spermidin grundsätzlich für dich interessant ist, stellt die kritische Hinterfragung deiner Lebensgewohnheiten den ersten Ausgangspunkt dar.
Wie ist die Versorgungslage mit Spermidin?
Wie viel Spermidin im Organismus vorhanden ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die wichtigsten Einflüsse sind: Das Alter und die Ernährung. Als besonders spermidinhaltig gelten Weizenkeime, Hülsenfrüchte und Nüsse. Der Körper ist bis zu einem gewissen Grad in der Lage, Spermidin selbst herzustellen. Grundsätzlich gilt: Je aktiver der Stoffwechsel ist, desto mehr Spermidin ist vorhanden. Im Verlauf des Alterungsprozesses nimmt die Vitalität der Stoffwechselvorgänge und damit der Spermidingehalt im Organismus ab. Das bedeutet zwangsläufig, dass der Spermidingehalt individuell – je nach Lebensphase und Ernährung – sehr unterschiedlich ausfallen kann.
Was versteht man unter Autophagie?
Spermidin wirkt auf zellulärer Ebene auf den Prozess der Autophagie ein. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und kann mit “sich selbst fressen” übersetzt werden. Was zunächst brachial klingt, hat für den Organismus erhebliche Vorteile.
Bei diesem Vorgang geschieht im Körper etwas Erstaunliches: Beschädigte und damit nutzlose Proteine werden abgebaut und zerlegt und damit wieder für den Organismus verfügbar gemacht. Autophagie bedeutet entsprechend, dass die Zelle einen Teil ihres Inneren selbst verdauen kann. Man kann sich das als eine Art Recycling vorstellen, bei dem beschädigte oder nicht mehr benötigte Bausteine der Zelle in ihre Bestandteile zerlegt und der Zelle wieder zugeführt werden. Dieser Prozess läuft bei reduzierter Nährstoffzufuhr, bei Stress (positiv) oder beim Fasten ab. Er hilft, in diesen Phasen die Zelle wieder mit Energie und neuen Bausteinen zu versorgen. Aber es geht auch darum, dass geschädigte Komponenten entsorgt werden. Das können defekte Proteine oder andere Zellbestandteile sein, die sonst gefährlich für den Organismus werden könnten.
Wie ist der aktuelle Forschungsstand zu Spermidin?
Die wissenschaftliche Untersuchung der Funktionen und Wirkungen von Spermidin läuft auf Hochtouren. Der Hintergrund für das Interesse besteht insbesondere in der Fähigkeit von Spermidin, die zelluläre Autophagie zu regulieren. Spermidin führt dazu, dass der Vorgang der Autophagie gefördert wird. Bei Experimenten mit Fruchtfliegen hat sich herausgestellt, dass deren kognitive Leistung sich bei einer erhöhten Zufuhr steigert. Die Herzfunktion von Labormäusen konnte damit signifikant verbessert werden. Bei einer Untersuchung am Menschen ergab sich, dass Personengruppen mit hoher Spermidinzufuhr über die Ernährung ein allgemeines verringertes Sterberisiko hatten. Besondere Aufmerksamkeit wurde Spermidin im Zusammenhang mit der Corona-Welle zu Teil. Ein Forscherteam um den Virologen Christian Drosten fand heraus, dass durch die Gabe von Spermidin die Viruslast im Zusammenhang mit der Covid-Infektion deutlich reduziert werden konnte. Die Entdeckung des Einflusses von Spermidin auf unterschiedliche Prozesse im Organismus gehört damit zu den interessantesten Bereichen der gegenwärtigen Alterungs- und Gesundheitsforschung.